Montag, 24. August 2009

Von der Kunst des Schreibens: Schreiben Sie einfach

Unsere Vorstellung von der Schriftstellerei ist mit einer Menge Ballast beladen. Wörter zu Papier zu bringen, ist für uns eine Riesenangelegenheit. Wir meinen, Schreiben sei eine Qual, und versuchen es erst gar nicht. Und wenn wir es doch probieren und es geht unerwartet leicht, dann erstarren wir und sagen uns, dass das ja wohl kaum das "echte" Schreiben sein kann.

Mit echtem Schreiben meinen wir den Akt, um den sich all die vielen Geschichten ranken. Wir meinen nicht die Darstellung eines Abends, wie ich ihn heute verbracht habe: ein Abendessen mit meiner lieben Freundin Dori, das anschließende gemeinsame Ansehen des Films Il Postino auf Video, die herzliche Verabschiedung von Dori an einem noch kaum angebrochenen Abend, und mein Hinüberwandern in mein Büro, um dort, während mein Hund Maxwell sich an meine Füße kuschelt, noch ein wenig zu schreiben.

Diese Art Schriftstellerdarsein ist einfach zu alltäglich, zu mühelos, zu normal. Es ähnelt zu sehr dem Leben aller anderen Menschen - nur mit ein wenig Schreiben gewürzt. Aber wenn Schriftsteller so leben, dann stünde dieser Weg ja möglicherweise vielen offen. Wenn Qualen keine Grundvoraussetzung sind, wenn es sich beim Schreiben gar nicht um eine unsoziale Tätigkeit handelt ...

Warum sollten wir das Schreiben eines Romans als etwas empfinden, dass außerhalb unserer Reichweite liegt - ein Hobbytischler wagt sich ja auch an die Herstellung einfacher Möbelstücke heran. Was wäre, wenn Schreiben gar nicht zwangsläufig mit dem Anspruch auf herausragende Qualität einherginge? Was wäre, wenn wir einfach nur aus Freude schreiben?

Viele Menschen hätten Spaß am Schreiben, wenn sie nur ihren Anspruch auf Anerkennung aufgeben könnten. Die übliche Legendenbildung enthält uns solche Tatsachen meistens vor, aber Schreiben macht tatsächlich Spaß.

Wenn Leute sich ans Schreiben wagen, dann geht es selten darum, etwas zu Papier zu bringen, sondern die Zielsetzung lautet vielmehr, "Schriftsteller zu werden". Nur liegt die eigentliche Aussage hinter dieser Formulierung vollständig unter Mythen, Gehemniskrämerei und absolutem Unsinn verschüttet.

Die eigentliche Aussage, dass nämlich der Akt des Schreibens einen Menschen zum Schriftstelller macht, kommt vielen dabei am wenigsten in den Sinn. Stattdessen haben wir so Vorstellungen wie "Richtige Schriftsteller werden veröffentlich" oder "Richtige Schriftsteller können von ihrer Arbeit leben". Auf gewisse Weise bringen wir damit zum Ausdruck: "Ein richtiger Schriftsteller ist man erst dann, wenn einen andere als solchen anerkannt haben".

Ist es bei einer derartigen Legendenbildung und bei einer so ausgesprägten Produkt- statt Prozessorientiertheit ein Wunscher, dass der strebsame Schriftsteller von Angst gepackt wird?

Wer sich zum ersten Mal ans Papier heranwagt, der macht häufig eine unangenehme Erfahrung: Plötzlich ist der gewohnte Redefluss wie ausgetrocknet. Jedes einzelne Wort kommt einem vor wie eine Verpflichtung, muss aufs Genaueste überprüft werden und entwickelt ein verstörendes Eigenleben. Die leere Seite scheint größte Ernsthaftigkeit einzufordern.

Wörter, die gerade noch vollkommen in Ordnung waren, wirken nun auf einmal unangebracht. Wir haben den Begriff "Entwurf" vergessen und meinen, dass alles, was wir produzieren, als geschliffener und polierter Edelstein zum Vorschein kommen muss. Wir machen einfachen Fehlgriffen, umgangssprachlichen Ausdrücken und selbst charmanten Umständlichkeiten jeglichen Raum streitig. Plötzlich sitzen wir wieder in der Schulbank, und uns fallen all die Regeln ein, die wir einmal in Sachen guter Schreibtstil gelernt haben: Gliederung, Themenbezug, Satzbau ...

Die meisten Menschen glauben von sich, dass sie nicht schreiben können. Wir meinen, Schreiben sei etwas, das andere, das "Schriftsteller" tun. Und selbst wer die fröhliche Begabung des Anfängers und die wilde Begeisterung des Amateuers besitzt, spart den Begriff auf, um damit das Talent "echter Schriftsteller" zu bezeichnen - für Leute, die ihre Gedanken wie kleine Soldaten aufmaschieren lassen und ihre logischen Absätze in aufeinander folgenden geistsprühenden Wellen befehligen wie Armeen beim Sturm auf die Normandie.

Aber das muss nicht so sein.
Wenn wir auf das Wort "Schriftsteller" verzichten, wenn wir einfach zurückkehren zum Schreiben als Akt des Beobachtens und Benennens, dann lösen sich einige der unbequemen Regeln auf. All die Dinge, die wir beobachten, die wir hören und dann auf Papier festhalten, haben ihre ureigene organische Form. Diese Form offenbart sich uns, wenn wir aufmerksam hinhören. Es ist nicht notwendig, den Dingen eine fremde Form überzustülpen. Ihre Gestalt ist fest mit ihnen verbunden. Wenn wir uns diesen Zusammenhängen einfach öffnen, dann machen wir unsere Sache auch "richtig".

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