Sieg auf ganzer Linie für die Rebellen-Teams, völlige Kapitulation von Herrscher Mosley: Mit der überraschenden Aufgabe des FIA-Präsidenten ist die Zukunft der Formel 1 gerettet. Die acht Rennställe der Teamvereinigung FOTA dürfen sich als Sieger fühlen, der größte Gewinner ist aber die Königsklasse des Motorsports selbst. "Nun haben wir Frieden, sagte Max Mosley bei einer Pressekonferenz nach der Sitzung des FIA-Weltrats in Paris. "Es wird nur eine WM geben."
Ein FOTA-Sprecher bestätigte die Einigung. Wie zum Beweis veröffentlichte die FIA umgehend die Liste mit den 13 Teilnehmer: Und alle sind dabei, die zehn aktuellen Teams mit FOTA-Wortführer Ferrari und die drei neuen: Campos aus Spanien, Manor aus England und US F1 aus Amerika. "Das ist ein großartiger Erfolg für die Formel 1, die Zuschauer, die Medien, die Teams und alle Aktiven", stellte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug fest. Rechteverwalter Bernie Ecclestone, dessen milliardenschweres Lebenswerk auch auf dem Spiel stand, war einfach nur "sehr glücklich".
"Endlich wird wieder über den Sport geredet"Während die freudige Nachricht BMW-Sauber-Pilot Nick Heidfeld auf dem Golfplatz bei den BMW International Open in München erreichte ("natürlich gut"), schrieb Rekordweltmeister und Ferrari-Berater Michael Schumacher, der sich im Streit klar auf die Seite seines Arbeitgebers gestellt hatte, auf seiner Homepage: "Nun wurde also im Streit FIA/FOTA doch ein Kompromiss gefunden, was sicherlich die beste Lösung für alle ist. Das freut mich im Sinne des Motorsports und aller Fans. Nun kann endlich wieder über den Sport geredet werden."
Denn der Frieden von Paris bedeutet das Ende einer Schlacht um Macht, Regeln und Geld. Eine von den acht FOTA- Rennställen bereits angekündigte Serie ist vom Tisch. Mosley ging offenbar auf alle Forderungen der FOTA ein. Damit ist auch das von Mosley geliebte freiwillige Budgetlimit von 45 Millionen Euro vom Tisch, stattdessen setzen die Teams auf eine freiwillige Selbstkontrolle. Und: Es wird nur ein Reglement für alle Teilnehmer geben. "Der totale Triumph für Montezemolos Linie", titelte kurz nach Mosleys überraschender Kehrtwende die Internetseite der 'Gazzetta dello Sport' mit Blick auf Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo.
Di Montezemolo will sich nicht feiern lassenDer Italiener selbst wollte sich nicht feiern lassen; er lobte seinen Gegenspieler Mosley. "Ich denke, er hat sehr gute Arbeit geleistet, um das Problem zu lösen", sagte Montezemolo: "Polemik ist nicht gut für die Formel 1 und besonders nicht in der Öffentlichkeit, denn die Formel 1 ist ein fantastischer Sport, der nicht nur geschützt, sondern neu gestartet werden muss", meinte der Boss von Ferrari, von dessen Homepage die Umfrage zu einer eigenen FOTA-Rennserie nach der Einigung schnell wieder verschwand.
Mosley wird sich nach Ablauf seiner Amtszeit im Oktober nicht mehr zur Wiederwahl stellen, obwohl er sich noch am Dienstag (23.06.2009) kämpferisch gegeben hatte. In einem Brief an die FIA-Mitglieder hatte der 69- ährige geschrieben, dass nur diese die Führung der FIA wählen könnten. Dass er nun nach zwei Jahren an der Spitze des damaligen Verbandes FISA (1991 bis 1993) und 16 Jahren als Chef der Fédération Internationale d'Automobile Adieu sagen wird, ist der Einigung mit den Teams in Sachen Finanzen geschuldet - der Wurzel des üblen und seit Monaten währenden Streits.
Kostenreduzierung bleibt das Ziel"Wir haben eine Übereinkunft zur Kostenreduktion gefunden", sagte Mosley, der sich auf der Pressekonferenz mit di Montezemolo und Ecclestone in gewohnter Manier britisch korrekt gab - vollkommene Zufriedenheit sah aber anders aus, immer wieder zog der geschlagene Mosley die Stirn in Falten. Von einer Niederlage wollte er aber nichts wissen: "Ich würde das nicht so sehen, denn wir haben die Regeln mit den Änderungen und auch die neuen Teams." Die von ihm gewollte Budgetobergrenze hatte den heftigsten Konflikt in der Formel-1-Geschichte entfacht.
Zur Kostenfrage erklärte Mosley nun: "Ziel ist es, in zwei Jahren das Ausgabenniveau der frühen 90er Jahre zu erreichen." In ihrer Pressemitteilung hielt die FIA die Sätze noch einmal fest. Wie auch das: Die Rennställe werden die Neueinsteiger 2010 technisch unterstützen, die Hersteller-Teams bestätigten die Rolle der FIA als Aufsichtsinstanz. Zudem werden alle Teams eine weiterentwickelte Version an dem Concorde Agreements - regelt unter anderem die Verteilung der Gelder - von 1998 festhalten.
Volle Konzentration auf den Deutschland-GPDie Teams hatten sich von Beginn an für eine schrittweise Eindämmung der Ausgaben stark gemacht. Trotz des gemeinsamen Ziels konnten sich FIA und FOTA bei einer Vielzahl von Treffen, ob am Londoner Flughafen oder an den Rennstrecken dieser Welt, bis zur Last-Minute-Entscheidung nicht auf einen Weg verständigen. Die FOTA-Rennställe Ferrari, McLaren-Mercedes, Renault, Toyota, BMW Sauber, Brawn GP sowie Red Bull und Toro Rosso kündigten am vergangenen Freitag (19.06.2009) eine eigene Serie an. Sogar ein Rennkalender war aufgetaucht. Alles umsonst. Zum Glück für alle Beteiligten, die sich nun auf den Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring am 12. Juli konzentrieren können.
"Großartiger Erfolg für die Formel 1"
Michael Schumacher (Ferrari-Berater): "Nun wurde also im Streit FIA / FOTA doch ein Kompromiss gefunden, was sicherlich die beste Lösung für alle ist. Das freut mich im Sinne des Motorsports und aller Fans. Nun kann endlich wieder über den Sport geredet werden."
Norbert Haug (Mercedes-Motorsportdirektor):: "Das ist ein großartiger Erfolg für die Formel 1, die Zuschauer, die Medien, die Teams und alle Aktiven. Ohne die Konfrontationen der letzten Monate wird unser Sport noch viel besser werden. Jetzt passiert, was sich alle Zuschauer so sehr wünschen wie wir - nur der Wettbewerb auf der Strecke steht im Mittelpunkt."
John Howett (Toyota-Präsident): "Ich bin sehr froh darüber, dass die Vorschläge der FOTA vom FIA-Weltrat bestätigt und abgesegnet worden sind. Damit ist sichergestellt, dass wir auf der Basis einer stabilen und sauberen Führung weiter arbeiten können."
Niki Lauda (RTL-Experte): "Es stand viel auf dem Spiel. Es gibt keinen Sieger, aber auch keinen Verlierer. Niemand hat sein Gesicht verloren. Meiner Meinung nach hat Max Mosley das aber schon vorher gewusst und jetzt nur geschickt eingesetzt. Er ist nicht abgesägt worden, sondern kandidiert einfach nicht mehr - das ist schon ein großer Unterschied. Am Wichtigsten war jedoch, dass sie sich nach all den Streitereien endlich geeinigt haben."
Heiko Wasser (RTL-Kommentator):: "Was man von vielen Insidern mitbekommt, hat Max Mosley von den Mitglieder des FIA-Weltrats eine Menge Gegenwind bekommen. Er hat dann wohl gemerkt, dass er so nicht mehr weitermachen kann. Zum Glück hat er dann den Knopf gefunden, um sein ganz, ganz starkes Ego ein bisschen runterzudrehen und gesagt, ich kandidiere nicht mehr wieder. Und das war auch eines der Ziele der FOTA."
Kai Ebel (RTL-Boxenreporter):: "Das müsste es jetzt gewesen sein. Am Ende ging es ja gar nicht mehr so sehr um die Themen - FIA und FOTA waren ja nicht so weit auseinander, sondern es ging lediglich noch um das Ego von Max Mosley. Und hinter vorgehaltener Hand haben eigentlich alle Teamchefs schon gesagt, es würde einiges einfacher sein, wenn Max nicht mehr dabei wäre. Da er sich jetzt nicht mehr zur Wiederwahl stellt, dürfte sich das erledigt haben. Man wird sich nun so bald wie möglich mit dem designierten Nachfolger zusammensetzen und dann wird man das alles zu einem zufriedenstellenden Gesamtpaket schnüren."
Max Mosley (FIA-Präsident): "Sie haben die Regeln, die sie haben wollten, und wir die neuen Teams. Die Teams werden mich im Oktober los, und sie werden dann noch da sein. Ob die Person, die mir nachfolgen wird, ihnen besser gefällt, werden wir dann sehen."
Luca di Montezemolo (Ferrari-Präsident): "Ich hoffe, dass ich irgendwann das Gleiche tun kann wie Max Mosley und ein bisschen mehr Erholung haben werde. Er hat gut zur Lösung beigetragen. Wenn man eine Einigung erreicht hat, muss jeder in gleichem Maße helfen. Polemik ist nicht gut für die Formel 1, besonders nicht in der Öffentlichkeit. Die Formel 1 ist ein fantastischer Sport, der komplett erneuert und nicht nur geschützt werden muss."
Drei neue Teams wollen es wissen
Nach der Einigung im Streit um die Regeln für die Saison 2010 hat der Internationale Automobilverband FIA am Mittwoch endgültig die Teams für die WM im kommenden Jahr bekanntgegeben. Neben allen aktuellen zehn Rennställen, darunter auch den acht der Teamvereinigung FOTA mit Wortführer Ferrari, werden die drei neuen Teilnehmer Campos Meta aus Spanien, Manor GP aus Großbritannien und Team USF1 aus Amerika an den Start gehen.
Wir stellen die drei Neueinsteiger vor:US F1: Das Team ist neu, die Hauptverantwortlichen sind im Motorsport jedoch keine unbekannten Gesichter. Teamchef Ken Anderson arbeitet seit über 30 Jahren in der PS-Branche. Als Technischer Direktor war er bei den ehemaligen Formel-1-Teams Ligier und Onyx angestellt. In der amerikanischen Indy-Car-Serie entwarf Anderson Rennautos. US-F1-Teamdirektor Peter Windsor blickt auf 35 Jahre in der Formel 1 als Journalist, Teammanager und Berater zurück. Er war unter anderem bei Williams-Renault und Ferrari.
CAMPOS META: Das spanische Team wurde 1998 vom ehemaligen Formel-1- Piloten Adrián Campos gegründet. Das Team startete seitdem in verschiedenen Rennserien, darunter der höchsten Nachwuchsklasse GP2 und der Formel 3 Euro. Sechs Fahrertitel und fünf Team- Meisterschaften zieren die Erfolgsleiste von Campos. Hauptquartier des Teams ist in Madrid, das technische Zentrum befindet sich in Valencia. Teamchef ist Adrián Campos Suñer.
MANOR GRAND PRIX RACING: Das englische Team wurde 1990 aus der Taufe gehoben. 171 Rennsiege und 19 Meisterschaftssiege gehen auf das Konto der Briten in Serien wie der Formel Renault und der Formel 3 Euro. Das Team ist in Sheffield und Bicester beheimatet. Der Technische Direktor, Nick Wirth, startete seine Karriere als Designer für den ehemaligen Formel-1-Rennstall March. Teamchef ist John Alfred Booth.
Die vollständige Starterliste für 2010:Ferrari
McLaren-Mercedes
BMW-Sauber
Renault
Toyota
Toro Rosso
Red Bull
Williams
Force India
Brawn GP
Campos Meta
Manor GP
Team US F1
Mosley: KeinTyp, der aufgibt
Er ist kein Typ, der einfach aufgibt. Kämpferisch bis zum Schluss, erst recht, wenn er sich angegriffen fühlt, das ist Max Rufus Mosley. Krisenzeiten hielt er unbeirrt stand. Seine Gegner hatten und haben selten Grund zum Lachen. Sein diktatorisch anmutender Führungsstil war es auch, der ihm immer mehr Feinde einbrachte. Im monatelangen Kampf um das Formel-1-Reich der Zukunft hat die Teamvereinigung FOTA dem mächtigen Mosley an der Spitze des Internationalen Automobilverbandes FIA die Grenzen aufgezeigt.
Auch bei der Pressekonferenz nach der Weltratssitzung in Paris pflegte der Brite sein Gentleman-Image, das durch die Sexvideo-Affäre im vergangenen Jahr allerdings deutliche Kratzer abbekommen hatte. Korrekt gekleidet wie immer, erklärte Mosley den Krieg zwischen FIA und FOTA für beendet. "Nun haben wir Frieden", sagte der alles andere als konfliktscheue 69-Jährige, die Stirn immer wieder in Falten gezogen. Vollkommene Zufriedenheit sieht anders aus. Seine Worte zeugten dennoch von Klarheit, für Zweifel kein Platz. Mosley ist eine Streitfigur.
Gegen Widerstände bislang imunAn dem seit 1991 herrschenden Präsidenten des Internationalen Automobilverbandes - von 1991 bis 1993 hieß der Vorgängerverband noch FISA - prallten Widerstände bislang meist ab. Mosley fuhr seinen Kurs, Konflikte und Konfrontationen inklusive. Doch Mosley überstand sie alle. Auch die Affäre 2008. Der einst eher leidliche Formel-2-Rennfahrer schaltete nach Bekanntwerden des Sex-Videos einige Gänge hoch und stellte nach Rücktrittsforderungen einer Reihe von Teams und Nationalverbänden selbst die Vertrauensfrage. 103 der 169 stimmberechtigten Mitglieder votierten für Mosley.
"Die Menschen mögen es, wenn jemand zurückschlägt", sagte er im Mai dieses Jahres. 1991 hatte Mosley nach einer Kampfabstimmung den Franzosen Jean-Marie Balestre als FISA-Chef abgelöst, zwei Jahre später übernahm er die Führung des umstrukturierten Dachverbandes FIA. Dann folgte das Horror-Wochenende für die Formel 1 in Imola 1994. Ayrton Senna und Roland Ratzenberger verunglückten tödlich. Mosley startete seine Kampagne für mehr Sicherheit in der Vollgas-Branche und setzte seine Strategie auch gegen größte Widerstände von Teams und Fahrern durch.
Zuletzt muss sich Mosley doch beugen
"Meine sogenannte Entmachtung ist ein Märchen. Die Formel-1-Weltmeisterschaft ist im Besitz der FIA", sagte er damals. Dabei könnte der Satz auch aus diesen Tagen stammen. Denn die Kritik seiner Gegner hat sich kaum geändert. Den Teams ist Mosleys Herrschaftsstil ein Dorn im Auge. Er regiert die FIA praktisch im Alleingang. Und die FIA macht die Regeln für die Formel 1, so wie das Budgetlimit von 45 Millionen Euro, an dem sich der neueste Machtkampf entzündet hatte.
Zusammen mit seinem langjährigen Weggefährten Bernie Ecclestone bestimmte und bestimmt Mosley die Geschicke der höchsten und renommiertesten Motorsportklasse. Doch zum ersten Mal haben die Teams die Macht des FIA-Regenten stark beschnitten. Im Oktober tritt er als Verbandschef ab, zur Wiederwahl wird er sich nicht mehr stellen.