Sonntag, 5. April 2009

Button gewinnt Chaos-GP

Button gewinnt Chaos-GP - Regenmeister Heidfeld und Glock

Packende Überholmanöver, ständige Führungswechsel, ein pechschwarzer Himmel, Tropenregen, Safety Car, Rote Flaggen und ein Rennabbruch nach 33 Runden vor Schluss - der Große Preis von Malaysia 2009 geht als eines der spektakulärsten Rennen in die Geschichte der Formel 1 ein.

Jubeln durfte am Ende Jenson Button, der in dem heillosen Tohuwabohu seinen zweiten Saisonsieg feierte und endgültig der Topfavorit auf den WM-Titel ist. Auch bei Nick Heidfeld und Timo Glock knallten die Korken. Die beiden waren die Regen- und Taktik-Meister des Tages und belegten die Plätze 2 und 3.

Bereits der Beginn war spektakulär: Vor bedrohlich dunkel wirkenden Wolken erwischte Nico Rosberg einen Traumstart und schoss vom 4. Platz an die Spitze. Pole-Setter Jenson Button startete dagegen wie ein VW-Bulli mit 44kw: sehr langsam. Der Brite wurde bis auf Rang 4 hinter Jarno Trulli und Fernando Alonso durchgereicht. Sein Teamkollege Rubens Barrichello verbesserte sich auf den 5. Platz, Timo Glock fiel auf Position 8 zurück.

Rosberg wirkte von der Führung beflügelt und zauberte eine schnellste Runde nach der anderen auf den Asphalt. Dahinter machten die beiden pfeilschnellen Brawn - mit Abstand die besten Autos im Feld - Platz um Platz gut und schoben sich an Rosberg und Trulli heran.

Da Rosberg und Trulli schon früh zum Nachtanken abbogen und zudem lange vor dem Lollipop-Mann standen, übernahm Button nach der ersten Boxenstopp-Phase die Führung. Trotz des drohenden Regens setzten alle Fahrer auf weiche Slicks - mit Ausnahme von Kimi Räikkönen, der dem Taktik-Desaster von Ferrari an diesem Wochenende die Krone aufsetzte. Der Finne ließ Regenreifen aufziehen und verlor in den folgenden Runden Platz um Platz.

Als es in Runde 22 richtig nass wurde, waren Räikkönens Rillen-Reifen bereits völlig abgerubbelt. Angesichts der Wassermassen steuerten alle Fahrer die Box an und setzten auf die 'Heavy-Wet-Tires'. Doch wieder scherte ein Pilot aus dem Einheitsbrei aus: Timo Glock. Die Toyota-Crew stattete den Deutschen überraschend mit Mischreifen, den so genannten Intermediates, aus. Es sollte der Glückgriff des Rennens werden.


Da es zunächst nur vom Himmel tropfte, war Glock mit seinen Reifen der schnellste Fahrer im Feld und machte pro Runde 10 Sekunden (!) gut. Glock schlängelte sich wie eine Strahlennatter, einer in Asien häufig vorkommenden schnellen Schlangenart, durch das Feld, kassierte Fahrer und Fahrer und preschte vom hinteren Teil bis auf Rang 1 vor. Ein weiterer Gewinner des Regens war Nick Heidfeld, der randvoll getankt an den Start gegangen war und sich mit nur einem Stopp (die Konkurrenz stoppte bis zu vier Mal) bis auf Platz 3 nach vorne schob.

In Anbetracht von Glocks Fabelzeiten wechselte das komplette Feld auf Intermediates. Mit den frischen Reifen holte sich Button in Runde 29 die Führung zurück. Plötzlich öffnete der Himmel alles Schleusen, was zu dem surrealen Bild führte, dass alle Piloten schon wieder die Box ansteuerten, um von den gerade erst aufgezogenen Intermediates wieder zurück auf Rillenreifen umstiegen. Dadurch schlich Heidfeld an Glock vorbei. Großer Verlierer des Hin- und Herwechselns war Rosberg, der stets das falsche Timing hatte und weit zurückfiel.

Innerhalb von Sekunden flutete der Tropenregen die komplette Strecke. In dem Chaos flogen Alonso und Vettel ab. Weltmeister Hamilton spielte seine Fähigkeiten im Nassen aus und verbesserte sich auf die 5. Position.

In Runde 31 kam das Safety Car heraus. Da aber selbst Bernd Mayländer seinen Sportwagen kaum auf der Strecke halten konnte, schwenkten die Stewards zwei Umläufe später die Roten Flaggen: Rennabbruch! Im Schritttempo kutschierten die Fahrer ihre Boliden mehr schlecht als recht bis Start-Ziel.

Da zu diesem Zeitpunkt zwar mehr als 50, aber weniger als 75 Prozent der Runden absolviert waren, wäre das Rennen mit halbierter Punktzahl gewertet worden. Anschließend setzte das große Warten auf Wetterbesserung ein. Angeführt von Wortführer Mark Webber meuterte ein Teil der Fahrer wegen der einsetzenden Dunkelheit in Sepang gegen einen Re-Start. Die Rennleitung zögerte lange, gab aber dann um 18.52 Uhr Ortszeit dem Drängen der Piloten nach: Sie brach das Rennen endgültig ab.

Damit wurde Button zum Sieger erkoren. Glock wäre hingegen gerne weitergefahren. "Das ärgert mich. Ich hatte einen guten Lauf und hätte gerne noch einmal angegriffen", so der Deutsche.

Glock: Erst Sieger, dann Zweiter und am Ende nur Dritter

Nick Heidfeld (BMW Sauber): "Mein Team und ich haben heute die richtigen Entscheidungen getroffen. Nachdem wir auf die Regenreifen gewechselt haben und es immer noch relativ trocken war, wollten wir schon auf die Intermediates wechseln. Ich habe dann aber gesagt, dass es gleich losgeht mit dem Regen und ich draußen bleibe. Es hat sich als die richtige Maßnahme erwiesen."

Mario Theissen (Teamchef BMW Sauber): "Wahnsinn, ich habe erst bei der Siegerehrung entdeckt, dass Nick Zweiter geworden ist. Auf dem Tableau war er ja eigentlich als Dritter geführt, aber die Kommissare haben anscheinend die vorletzte Runde gewertet. Das Wetter und unsere Strategie waren heute der Schlüssel zum Erfolg. Nick war der einzige Fahrer, der mit dem ersten Stopp auf Regenreifen gewechselt hatte und auch bis zum Rennabbruch nicht noch einmal reinkommen musste. Das lief optimal."

Timo Glock (Toyota): "Eigentlich war es von der Strategie her das beste Rennen, das ich je gefahren bin, wenn man mal die Startphase ausblendet, als ich viele Plätze verloren hatte. Ich hab mich dann erst einmal im Verkehr wieder gefunden. Als sich dann nach fünf, sechs Runden die dunklen Wolken anbahnten, stellten wir uns auch die Frage, auf welchen Reifen wir weiter fahren. Mit der Wahl auf die Intermediates sind wir dann ein Risiko eingegangen, was sich ausgezahlt hat. Beim Rennabbruch hatte mir mein Ingenieur noch gesagt, ich sei Erster. Dann hieß es Zweiter und als ich aus dem Auto ausstieg war ich nur noch Dritter. Ich hoffe, wenn ich gleich zu meinem Team zurückkehre, dass ich wenigstens noch Dritter bin."


Jenson Button (Brawn GP): "Ich hatte einen ziemlich schlechten Start, habe viel untersteuert. Deswegen war ich umso glücklicher, dass ich danach vorn auf der Pace war. Als sich der Regen anbahnte, haben wir wie fast alle Teams auf Regenreifen gewechselt. Doch es fing nicht an zu schütten und Timo auf den Intermediates kam an mir vorbeigeflogen. Seine Hinterreifen waren aber schon stark abgefahren. Wir haben dann auch kurzzeitig auf die Intermediates getauscht, bevor es dann richtig anfing zu regnen, um dann wieder auf die Regenreifen zurückzugreifen. Es war ein sehr interessantes Rennen. Ich habe nicht die Zielflagge gesehen, aber trotzdem gewonnen - verrückt."

Sebastian Vettel: "Am Anfang war das Wetter okay. Dann hat es erst nach und nach angefangen zu tröpfeln, bevor es richtig geschüttet hat. Kurz vor meinem Dreher war ich mit abgefahrenen Intermediates unterwegs. Ich konnte bei dem Aquaplaning nichts machen, ich hatte kein Profil. Nach dem Dreher hat wie schon in Australien die Elektronik gestreikt. Das ist eine Schande! Ich wünsche mir in solchen Situationen lieber das Kupplungspedal zurück, damit ich das selber regeln kann."

Ross Brawn (Teamchef Brawn GP): "Bei der ständig wechselnden Reifenwahl haben wir wohl bei Jenson alles richtig gemacht. Wir haben vielleicht ein bisschen zu früh auf die Regenreifen gewechselt, weil Timo auf seinen Intermediates doch sehr nah ran gekommen ist. Die Entscheidung, das Rennen abzubrechen, halte ich für richtig. Es wäre sehr schnell dunkel geworden. Auf nasser Fahrbahn und ohne Licht zu fahren, das wäre nicht gut gegangen. Der zweite Sieg im zweiten Rennen - das Märchen Brawn GP geht weiter."

Nico Rosberg: "Heute wäre mehr drin gewesen. Schade, dass das Rennen nicht weiterging, um mich nach vorne zu verbessern. Zu Beginn des Rennens waren wir sensationell unterwegs, sind bis auf Platz 2 vorgefahren und das auch hochverdient. Danach war ich einfach immer mit den falschen Reifen unterwegs: zuerst mit den Slicks auf halbnasser Fahrbahn, dann die Regenreifen auf immer noch nur halbnasser Strecke und schließlich mit den Intermediates zum Schluss, als es in Strömen regnete. Das ist natürlich nicht gut gelaufen. Im Nachhinein ist man ja immer schlauer."

Michael Schumacher (Ferrari-Berater) zu der Entscheidung, bei Kim Räikkönen in der 18. Runde noch während der Trockenphase auf Regenreifen zu wechseln: "Die Situation war relativ eindeutig. Es sollte regen, wir haben extra eine Wetter-Radarstation, die wir sekündlich verfolgen… Früher hat man keine Wetterinformationen gehabt und hat Fehler gemacht, jetzt hat man welche und macht auch welche. Wir mussten rein, weil irgendwann geht einem auch der Sprit aus, dann darf man glaube ich auch mal das Risiko eingehen. Die Fahrer sagten, es fängt leicht an zu regnen auf der Strecke, also nehmen wir Regenreifen. Es war halt in dem Moment die falsche Entscheidung."

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