Donnerstag, 21. Mai 2009

Der Streit um die neuen Regeln

Abfuhr für Ferrari: Die Roten kämpfen weiter

Abfuhr für Ferrari: Die Roten kämpfen weiter
Einspruch abgelehnt: Im Formel-1- Machtkampf hat ein Pariser Gericht dem beleidigten Branchenführer Ferrari eine Abfuhr erteilt. Die Kammer wies den Antrag der Scuderia zurück, die mit einer Einstweiligen Verfügung das neue Reglement für 2010 stoppen wollte. "Das Risiko eines unmittelbar eintretenden Schadens, der abgewendet werden muss, oder juristischer Probleme besteht nicht", erklärte Richter Jacques Gondrand de Robert in seiner Urteilsbegründung.

"Kein Teilnehmer sollte seine Interessen über jene des Sports stellen, in dem sie gegeneinander antreten", kritisierte FIA- Präsident Max Mosley, der gestärkt aus dem längst eskalierten Konflikt um eine Budgetgrenze hervorging. Der Internationale Automobilverband FIA, die Teams und die kommerziellen Partner "werden nun die Arbeit fortsetzen, um das Wohlergehen der Formel 1 im Jahr 2010 uns daüber hinaus zu sichern", kündigte Mosley an. Ferrari aber will nicht klein beigeben und erneuerte kurz nach der juristischen Pleite seine Ausstiegsdrohung.

Ferrari scheitert vor Gericht

Wird kein Kompromiss erzielt, will sich die Scuderia nicht für das nächste WM-Jahr anmelden. Zudem behalten sich die Italiener weitere rechtliche Schritte gegen die Regelreform der FIA vor. Die Beschlüsse des Verbands seien "einseitig ohne Respekt für die vereinbarten Prozeduren" getroffen worden, kritisierte Ferrari. Das Gericht akzeptierte zwar weitgehend das Veto-Recht von Ferrari, stimmte aber wiederum mit der FIA überein, dass die Scuderia dies viel früher hätte nutzen sollen.

Abfuhr für Ferrari: Die Roten kämpfen weiter
Damit scheiterte auch der Versuch der sportlich taumelnden und sportpolitisch nun ebenfalls angeschlagenen Italiener, den auf 29. Mai festgesetzten Ablauf der Anmeldefrist für die neue Saison zu kippen. FIA-Chef Mosley ließ sich bislang von den Rückzugsdrohungen nicht beeindrucken. "Der Glaube, Ferrari sei unersetzlich, ist Nonsens", meinte der Brite. Allerdings hatten auch Renault, Toyota sowie Dietrich Mateschitz als Eigentümer von Red Bull und Toro Rosso mit ihrem Ausstieg gedroht. BMW lehnt die Regelreform, nach der Teams mit einem Etat von maximal 45 Millionen Euro mit technischen Vorteilen belohnt werden, ebenfalls ab.

Ferrari reagiert mit Polemik

Ferrari hat sich in dem eskalierten Konflikt tief in den Schmollwinkel zurückgezogen. Ausgerechnet am Tag der Entscheidung von Paris veröffentlichte der Konstrukteursweltmeister auf seiner Homepage eine Meldung voll beißender Polemik gegen die von der Aussicht auf eine Budgetgrenze angelockten Formel-1-Interessenten. Man finde keinen "sehr berühmten Namen" darunter, ätzte der Traditionsrennstall. "Kann eine Weltmeisterschaft mit Teams wie diesen - bei allem Respekt - den gleichen Wert haben wie die heutige Formel 1", , hieß es weiter.

Mindestens ein halbes Dutzend Rennprojekte aus anderen Serien hat für den Fall eines Etatlimits Pläne für ein Formel-1-Engagement bestätigt. Weil für die neue Saison nur Platz für 13 Teams ist, hat Mosley die revoltierenden Teams bereits gewarnt, die Anmeldefrist verstreichen zu lassen. "Wenn es keinen freien Platz mehr gibt, dann können sie auch keinen bekommen", sagte der 69-Jährige. Auch wegen der potenziellen Neueinsteiger wehrt sich die FIA gegen eine Verlängerung der Einschreibefrist, um diesen ausreichend Zeit und Rechtssicherheit zur Vorbereitung auf die neue Saison zu geben.

FIA-Präsident bleibt unnachgiebig

Das Urteil von Paris dürfte dem FIA-Chef Genugtuung bereiten. Schon zuvor hatte er versichert, für den Fall eines Ferrari-Erfolgs sofort in die Berufung zu gehen. "Wenn wir sagen würden, die Formel 1 funktioniert nicht ohne Ferrari, dann könnten sie alle Regeln diktieren. Das geht nicht", erklärte Mosley. Bei einem Krisentreffen am vergangenen Freitag (15.05.2009) hatten der Verband, Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und die zehn aktuellen Rennställe vergeblich um eine Lösung des Disputs gerungen. Mosley gab den Protestlern eine Woche Zeit, um einen Gegenvorschlag zu der beschlossenen Budgetgrenze vorzulegen.

Die geplanten Regeländerungen im Überblick

Die geplanten Regeländerungen im Überblick
Der Internationale Automobilverband FIA hat mit seiner Regelreform einen heftigen Streit in der Formel 1 ausgelöst. Hintergrund des Konflikts sind die Beschlüsse des Motorsport-Weltrats der FIA vom 29. April für die Saison 2010. Die geplanten Regeländerungen im Überblick:

Budgetgrenze: Für 2010 wir das Limit bei rund 45 Millionen Euro fixiert. Teams, die sich der Grenze unterwerfen, dürfen ihre Autos mit beweglichen Flügeln und einem Motor ohne Drehzahlbegrenzung ausstatten. Zudem gibt es für sie keine Beschränkungen für die Nutzung von Windkanälen und Testfahrten vor der Saison. Rennställe, die mehr investieren wollen, erhalten diese Vorteile nicht.

Ausnahmen: Nicht unter die Budgetgrenze fallen in der Saison 2010 Ausgaben für den Motor. Grundsätzlich ausgenommen sind die Gehälter der Fahrer, Kosten für Marketing und Bußgelder.

Die geplanten Regeländerungen im Überblick
Prüfstelle: Eine dreiköpfige Kommission überwacht die Einhaltung der Budgetgrenze. Der Motorsport-Weltrat beruft die Mitglieder für die Dauer von drei Jahren.

Teilnehmer: Zugelassen sind von 2010 an 26 statt 24 Fahrer, also 13 Teams mit je zwei Piloten. In dieser Saison blieben vier Plätze im Fahrerfeld frei. Für die neue Saison hofft die FIA dank der neuen Regeln auf großen Zulauf. Mindestens ein halbes Dutzend Interessenten hat inzwischen Pläne für einen Formel-1-Einstieg bestätigt.

Neueinsteiger: Teams, die 2010 in die Formel 1 aufrücken, erhalten aus dem Rechte-Topf zehn Millionen Dollar Zuschuss. Zudem werden die Transportkosten für zwei Autos und bis zu 10.000 Kilo Fracht übernommen sowie 20 Flugtickets für Rennen außerhalb Europas zur Verfügung gestellt.

Boxenstopps: Von 2010 an ist das Nachtanken während der Rennen verboten. Damit sollen Kosten gesenkt werden. Zudem sei dies ein Anreiz für Ingenieure, benzinsparende Motoren zu entwickeln.

Frist: Vom 22. bis 29. Mai müssen alle Rennställe ihre Anmelde-Unterlagen für die kommende Saison bei der FIA vorlegen. Am 12. Juni gibt die FIA die endgültigen Teilnehmer für 2010 bekannt.

Der Regelstreit in der Chronologie

Der Regelstreit in der Chronologie
Seit Wochen hält der Regelstreit die Formel 1 in Atem. Der Internationale Automobilverband FIA stößt mit seinen Plänen auf erbitterten Widerstand bei der Mehrheit der Rennställe. Angeführt wird die Protestfront von Ferrari. Der Verlauf des Konflikts in der Chronologie.

17. März: Der Motorsport-Weltrat der FIA beschließt für die Saison 2010 die Einführung einer freiwilligen Budgetgrenze. Teams, die pro Jahr mit maximal 33 Millionen Euro auskommen, sollen mit technischen Vorteilen belohnt werden. Rennställe, die mehr ausgeben wollen, sind bis 2012 an das alte Reglement gebunden. Zudem soll schon in dieser Saison der Fahrer mit den meisten Siegen Weltmeister werden, ungeachtet der Zahl seiner Punkte. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo bezeichnet den Beschluss zwar als "Risiko", ein offizieller Protest aber bleibt aus. 19. März: Di Montezemolo verschärft seine Kritik auf der Ferrari-Website. Die neuerlichen Regeländerungen seien "schlecht für die Glaubwürdigkeit" der Königsklasse, wettert der Scuderia-Chef. 20. März: Nach heftigen Protesten knickt die FIA bei der Weltmeister-Regel ein. In dieser Saison gewinnt wie bisher der Fahrer mit den meisten Punkten den Titel. Die neue Regel wird offiziell auf 2010 verschoben.

24. April: Vor dem Großen Preis von Bahrain fordert FIA-Chef Max Mosley die verärgerten Rennställe auf, eine aus ihrer Sicht akzeptable Regelung für eine Budgetgrenze vorzuschlagen.

Der Regelstreit in der Chronologie
29. April: Der Motorsport-Weltrat erhöht das Etatlimit auf rund 45 Millionen Euro, legt die Details der Regel fest und präzisiert Ausnahmen. Di Montezomolo hatte den Beschluss mit einem Brandbrief vergeblich zu verhindern versucht und auf ein Ferrari zugesichertes Veto in Regelfragen verwiesen.

12. Mai: Ferrari droht nach einer Vorstandssitzung mit einem Rückzug aus der Formel 1, wenn die neuen Regeln umgesetzt werden. Tags zuvor hatte Dietrich Mateschitz eine Anmeldung seiner Teams Red Bull und Toro Rosso für 2010 unter dem geplanten Reglement ausgeschlossen.

13. Mai: Auch Renault will aussteigen, wenn die Regeln nicht geändert werden.

15. Mai: Ein Krisengipfel in London bleibt weitgehend ergebnislos. Mosley gibt den Teams sieben Tage Zeit, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten. Während des Treffens wird bekannt, dass Ferrari bei einem Pariser Gericht eine Einstweilige Verfügung gegen die Regelreform erwirken will. Die Scuderia pocht auf ein angebliches Veto-Recht, das ihr Mitsprache in Regelfragen zugestehen soll.

19. Mai: Ferrari präsentiert bei einer Anhörung in Paris seine Argumente.

20. Mai: Das zuständige Pariser Gericht weist den Antrag auf Einstweilige Verfügung ab.

Bei allem Respekt: Epsilon Euskadi statt Ferrari?

Bei allem Respekt: Epsilon Euskadi statt Ferrari?
Ferrari hat am Tag seiner Niederlage vor Gericht im Kampf gegen die neuen Formel-1-Regeln die Stimmung mit einer provokanten Meldung auf seiner Homepage weiter angeheizt. Die Mitarbeiter hätten "ihren Augen nicht trauen" können, als sie die Namen der Teams gelesen hätten, die in der nächsten Saison in die Formel 1 einsteigen wollen. "Schaut man auf die Liste, die gestern aus Paris durchgesickert ist, findet man keinen sehr berühmten Namen", hieß es dort.

Ferrari-Homepage (externer Link)


Angesichts der Interessenten fragte die Scuderia: "Kann eine Weltmeisterschaft mit Teams wie diesen - bei allem Respekt - denselben Wert haben wie die Formel 1 heute, in der Ferrari, die großen Automobilhersteller und die Teams, die die Geschichte dieses Sports begründeten, gegeneinander antreten?"

Zur Erklärung präsentierte Ferrari freilich auch die Namen der Teams, die 2010 in der Königsklasse Gas geben wollen. "Wirth Research, Lola, USF1, Epsilon Euskadi, RML, Formtech, Campos, iSport: Das sind die Namen der Teams, die in der Zweiklassen-Gesellschaft der Formel 1 antreten sollen, die (Max) Mosley will", schrieb Ferrari.


Die Scuderia musste am selben Tag gegen FIA-Chef Mosley allerdings eine empfindliche Niederlage hinnehmen. Ein Pariser Gericht wies den Antrag auf Einstweilige Verfügung ab, mit der Ferrari die Regeländerungen für 2010 stoppen wollte. Die Italiener hatten sich auf ein angebliches Veto-Recht berufen, dies wurde von den Richtern aber nicht bestätigt.

In seiner Mitteilung auf der Homepage fragte der Rennstall unterdessen: "Wäre es nicht angemessener, sie (Formel 1) Formel GP3 zu nennen?" Der als einziges Team seit WM-Beginn 1950 zur Formel 1 gehörende Rennstall hatte angekündigt, nicht in der kommenden Saison antreten zu wollen, sollten die neuen Regeln nicht wieder geändert werden. Streitpunkt ist die Budgetobergrenze von umgerechnet rund 45 Millionen Euro und die damit verbundene klare Bevorteilung derjenigen Teams, die sich an das Limit halten.


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