Freitag, 1. Mai 2009

Blaues Auge für die Silbernen

Blaues Auge für die Silbernen

Das World Motor Sport Council der FIA hat McLaren-Mercedes in der "Lügen-Affäre" für drei Rennen auf Bewährung gesperrt. Weltmeister Lewis Hamilton und der inzwischen entlassene McLaren-Sportdirektor Dave Ryan hatten nach dem Großen Preis von Australien in Melbourne die Renn-Kommissare angelogen. Die Dauer der Bewährung beträgt zwölf Monate.

Sollten weitere belastende Fakten in der Angelegenheit auftauchen oder das Team erneut gegen das Regelwerk verstoßen, wird die Strafe wirksam, hieß es. Funk-Mitschnitte hatten Silberpfeil-Pilot Hamilton und McLaren-Sportdirektor Dave Ryan nach dem Saisonauftakt in Australien der Falsch-Aussage vor den Renn- Kommissaren überführt.

Die FIA begründete das eher milde Urteil mit dem "offenen und ehrlichen Auftreten" von McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh bei der Anhörung.

Whitmarsh hatte sich bei der Anhörung am Vormittag für seinen Rennstall entschuldigt. "Wir haben Fehler gemacht und uns dafür bei der FIA und der Öffentlichkeit entschuldigt", sagte der Brite, nachdem er bereits eine knappe Stunde nach Beginn der Sitzung die FIA-Zentrale am Place de la Concorde in Paris wieder verließ.

Als Strafe für McLaren-Mercedes wäre auch ein kompletter WM-Ausschluss möglich gewesen. Als zuvor letztes Team war am 5. Mai 2005 BAR-Honda wegen eines illegalen Zusatztanks für zwei Rennen gesperrt worden. McLaren-Mercedes hatte 2007 in der Spionage-Affäre die Rekord-Geldstrafe von 100 Millionen Dollar (damals 72 Millionen Euro) erhalten.

Whitmarsh äußerte seine Hoffnung, dass die Affäre mit dem Urteil der FIA beendet sei. "Ich hoffe, wir können einen Schlussstrich ziehen und uns wieder aufs Rennfahren konzentrieren", sagte der Brite.

Danner: "Ein salomonisches Urteil"

Drei Rennen Sperre auf Bewährung - Christian Danner ist mit dem Urteil des World Motor Sport Councils der FIA in der 'Lügen'-Affäre um McLaren-Mercedes "sehr zufrieden". Das Urteil zeige, "dass die FIA dem McLaren-Mercedes-Team die Chance zu einem Neuanfang gibt", sagte der RTL-Experte im Interview mit sport.de

Entscheidend für das "salomonische" Urteil sei der mehr oder weniger erzwungene Rückzug des bisherigen Teamchefs Ron Dennis. "Ich bin mir sicher, dass Mercedes seinen ganzen Einfluss geltend gemacht hat, um diesen Neuanfang zu ermöglichen", so Danner. "Ab dem Moment, in dem Mercedes Dennis sozusagen entsorgt hat, war es der FIA möglich, so zu entscheiden." Wäre Dennis heute noch Teamchef, wäre das Urteil härter ausgefallen - davon ist der ehemalige Formel-1-Pilot überzeugt.

Die Rücktrittsdrohung von Mercedes hat dagegen nach Ansicht von Danner bei dem Strafmaß keine Rolle gespielt. "Der FIA-Weltrat ist ein unabhängiges Gremium, das sich von so etwas nicht beeinflussen lassen darf und sich auch nicht beeinflussen lässt. Es wäre so, als würde der FC Bayern dem Schiri sagen: 'Wenn du keinen Elfmeter für uns pfeifst, spielen wir nicht mehr in der Bundesliga.' Das geht ja auch nicht."

Für Danner ist der Fall damit abgeschlossen. Dass McLaren-Mercedes während der Bewährung 'rückfällig' wird, hält er für ausgeschlossen. "Das Team weiß jetzt ganz genau, was es zukünftig nicht machen darf, unter anderem die Renn-Kommissare zu belügen. Deshalb halte ich es für wahrscheinlich, dass es bei der Bewährungsstrafe bleibt."

McLaren-Mercedes akzeptiert faires Urteil

McLaren-Mercedes hat die vom Internationalen Automobilverband FIA verhängte Bewährungsstrafe wegen der 'Lügen-Affäre' akzeptiert. Das teilte das Team am Mittwoch in einer Presseerklärung mit. "Wir danken den Mitgliedern des Motorsport-Weltrats der FIA für die sehr faire Anhörung, die sie uns heute Morgen gewährt haben", hieß es in dem Statement weiter. Das Team wolle nun das in der Vergangenheit eher getrübte Verhältnis zur FIA weiter verbessern.

Zuvor hatte der Verband das Team zu einer Sperre von drei Rennen für den Fall verurteilt, dass in den kommenden zwölf Monaten weitere belastende Fakten in der 'Lügen-Affäre' um Weltmeister Lewis Hamilton bekanntwerden oder der Rennstall erneut gegen das Regelwerk verstößt. Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug begrüßte die Entscheidung. "Ein faires Urteil", sagte Haug. Wegen der einjährigen Bewährungsfrist habe er "keine Bedenken". Das Team werde "mit allergrößter Präzision und Vorsicht vorgehen und keine Fehler machen", versprach Haug.

FIA-Präsident Max Mosley nannte das Urteil ebenfalls "vollkommen fair" und lobte den Auftritt von Teamchef Martin Whitmarsh im Zeugenstand. Der Brite habe "einen sehr guten Eindruck" hinterlassen und sei "sehr aufrichtig" gewesen. Formel-1-Chef Bernie Ecclestone sagte: "Ihnen wurde auf die Finger geklopft, das war alles, was sie gebraucht haben. Sie sind genug bestraft worden.»"

Mercedes geht zum Angriff über

Zwölf Monate auf Bewährung: Nach dem Gnadenakt in der 'Lügen-Affäre' wollen Weltmeister Lewis Hamilton und sein McLaren-Mercedes-Team den ramponierten Ruf mit Erfolgen auf der Strecke aufpolieren. 'Lewis' WM-Traum lebt weiter, weil er für seine Lügen ungeschoren davonkommt', kommentierte das englische Boulevardblatt 'The Sun' am Tag nach der Urteilsverkündung, die eine Sperre von drei Rennen für die Silberpfeile für ein Jahr zur Bewährung hervorbrachte. "Eine balancierte Entscheidung", befand Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug.

Erleichtert über die Milde des Weltverbandes lenkte Haug am Tag danach sofort alle Konzentration wieder auf die Aufholjagd in der Weltmeisterschaft. Es sei für den Autobauer Mercedes-Benz auf Dauer "kein akzeptabler Zustand, dass mindestens eine Handvoll Teams" derzeit schneller sei als die Silberpfeile. "Das muss sich also so schnell wie möglich ändern, und daran arbeiten wir Tag und Nacht", sagte der 56-Jährige.

Ziel sei es, "in sieben Wochen zu erreichen, was in sieben Monaten nicht erreicht worden ist". In der WM liegt Hamilton nach vier Saisonrennen als Siebter mit 9 Punkten bereits 31 Zähler hinter Spitzenreiter Jenson Button (Brawn GP) und muss um seinen Titel bangen. Sein Team ist nur Vierter der Konstrukteurswertung mit 13 Zählern, Brawn GP hat 50.

Das 'Grüne Licht' der FIA für den Start beim Großen Preis von Spanien am 10. Mai hat beim britisch-schwäbischen Rennstall neuen Ehrgeiz entfacht. Während die Medien in Hamiltons englischer Heimat das Urteil des Motorsport-Weltrats einhellig als korrekt bewerteten, regte sich auf dem Kontinent allerdings Widerspruch. "Die FIA erfindet für McLaren eine Geistersanktion. Sie verhängt eine Strafe, setzt sie aber nicht um", schrieb die spanische Zeitung 'As'.

Der 'Figaro' aus Frankreich erklärte die Formel 1 zur "sehr sonderbaren Welt" und zeigte sich "verblüfft" über die Nachsicht der FIA. Der italienische 'Corriere dello Sport' titelte gar: "Ein wütendes Ferrari denkt über einen Abschied nach" - und spekulierte munter über den vermeintlichen Zorn der Scuderia wegen der angeblichen Bevorteilung des Dauerrivalen McLaren-Mercedes.

Grund für die Gnade der FIA war offensichtlich die radikale Politikwende im Hause McLaren mit der konsequenten Abkehr des zum Rücktritt gezwungenen Patriarchen Ron Dennis. Der frühere Teamchef und Präsident der Firmengruppe hatte eine Dauerfehde mit FIA-Boss Max Mosley gepflegt und den Rennstall mit einem kalten Hauch umgeben. Nachfolger Martin Whitmarsh hingegen setzte nach Bekanntwerden des Skandals um Falsch-Aussagen von Hamilton und McLaren-Sportdirektor Dave Ryan auf einen Stil von Transparenz und Bußfertigkeit. Die FIA erkannte einen 'Kulturwandel' und ließ Milde walten.

"Ich denke, zur Voraussetzung dazu hat Lewis mit seiner Offenheit genauso beigetragen wie das Team und Teamchef Martin Whitmarsh, der ohne Umschweife Fehler eingestand", lobte Mercedes-Manager Haug. Mosley zufolge honorierte die FIA mit ihrem Urteil auch den Rückzug von Dennis, der als Drahtzieher des Skandals verdächtigt worden war, und die Entlassung von Ryan. "Das waren Entscheidungen von Leuten, die nicht länger dabei sind. Daher wäre es unfair gewesen, noch weiter in der Sache vorzugehen", sagte der Brite.


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